Populationsgenetik

Die humangenetische Forschung hat in den vergangenen Jahren, spätestens jedoch mit dem vorläufigen Abschluss des Humangenomprojekts einen Paradigmenwechsel erlebt. Nachdem das wissenschaftliche Augenmerk bis in die 1990er Jahre der Suche nach den genetischen Ursachen monogener Erkrankungen galt, steht seit geraumer Zeit die genetisch-epidemiologische Analyse der multifaktoriellen, so genannten „komplexen“ Erkrankungen im Vordergrund des humangenetischen Forschungsinteresses. Diese Untersuchungen sind nicht mehr familien- sondern populationsbasiert, da sich nur durch einen Populationsbezug die statistische Power erreichen lässt, die zum Nachweis der meist nur sehr geringen Beiträge einzelner genetischer Varianten zu multifaktoriellen Krankheitsrisiken erforderlich ist. Das bedeutet aber praktisch, dass eine sinnvolle Planung, Durchführung und Bewertung solcher Studien nur unter Berücksichtigung populationsgenetischer Prinzipien und Erkenntnisse möglich ist. Was ist Populationsgenetik? Populationsgenetik ist die Wissenschaft, die sich mit der Häufigkeitsverteilung von Allelen in Populationen und mit der Veränderung dieser Verteilung durch den Einfluss von vier maßgeblichen evolutionären Kräften beschäftigt: Selektion, Mutation, Migration und (zufällige) Drift. Populationsgenetiker entwickeln hierzu abstrakte mathematische Modelle für die Dynamik von Allelhäufigkeiten, ziehen aus diesen Modellen Schlüsse über die zu erwartenden Muster genetischer Variation in realen Populationen und testen diese theoretischen Schlussfolgerungen dann anhand empirischer Daten.